Eine seelische Krankheit bzw. Störung wird darin definiert als „krankhafte Störung der Wahrnehmung, des Verhaltens, der Erlebnisverarbeitung, der sozialen Beziehungen und der Körperfunktionen. Es gehört zum Wesen dieser Störungen, dass sie der willentlichen Steuerung durch den Patienten nicht mehr oder nur zum Teil zugänglich sind.“
Der Passus des Fehlens der willentlichen Steuerung ist hier besonders wichtig, denn er bedeutet, dass der Mensch aus eigener Kraft und Steuerung heraus seine Schwierigkeiten nicht mehr lösen kann. Probleme und Schwierigkeiten gibt es immer – viele Menschen lösen sie allein oder mit Hilfe von Freunden oder Bekannten. Erst wenn es jemandem trotz besten Willens aus eigener Kraft mit den vorhandenen Ressourcen nicht gelingt, ein Problem, unter dem er sehr leidet, zu lösen, kommt unter anderem Psychotherapie infrage.
Was passiert in der Psychotherapie?
Der Begriff „Patient / Patient*in“ bedeutet, wörtlich übersetzt, „der/die Erduldende“, der/die „Leidende“. In meine Praxis kommen sehr unterschiedlich Leidende, die eines eint: der Wunsch nach Veränderung. Diese Veränderung kann mit verschiedenen Mitteln, auch mit Psycho-therapie erreicht werden. Allerdings ist nicht für jeden*r eine Psychotherapie geeignet, weshalb ein oder mehrere Eingangsgespräche zur Abklärung notwendig sein können.
Doch was ist nun eigentlich Psychotherapie?
Psychotherapie arbeitet letztlich immer, auch bei komplexeren Problemen, gemeinsam in einer Interaktion zwischen Patient*in und Behandler*in.
Eine von HEMMINGER 1985 entwickelte Definition für Psychotherapie lautet zum Beispiel:
„Eine Psychotherapie besteht darin, dass Therapeut und Patient (damals galt noch das generische Maskulinum) bewusst eine Beziehung eingehen, die so gestaltet wird, dass die Verhaltensstörungen oder Leidenszustände gebessert werden, die der Patient, der Therapeut und möglichst auch die Menschen in der Umgebung des Patienten für behandlungsbedürftig halten. Die Einwirkung in der therapeutischen Beziehung geschieht dabei mit psychologischen Mitteln, also vor allem in der verbalen und averbalen Kommunikation der Beteiligten, und strebt ein bestimmtes, nach Möglichkeit gemeinsam festgelegtes Ziel an, nämlich entweder die Besserung der Symptome oder die Veränderung des Charakters und der Persönlichkeit. … .“
Das bedeutet: Anders als bspw. ein*e Chirurg*in, der/die an einem/*r Patient*in bei dessen völliger Bewusstlosigkeit operiert, kommt es nicht ausschließlich auf das Geschick des Behand- lers an, sondern auch auf die Motivation und Kooperation des/*r Patient*in. Diese/*r muss die Voraussetzung mitbringen, sich auf das Gespräch einzulassen, Gesprächsinhalte oder Themen einzubringen, Dinge / Inhalte gedanklich hin- und her zubewegen und Hinter-gründe versuchen, gemeinsam mit dem/*r Therapeut*in zu verstehen.
Da all diese Dinge in einer tiefenpsychologischen Psychotherapie (allerdings nicht in einer Traumatherapie! – vgl. Traumatherapie) unabdingbare Voraussetzungen für eine geling- ende Behandlung sind, benötigt der Patient hier gewisse Eigenschaften:
– Die Fähigkeit und Bereitschaft, in sich selbst hineinzuspüren und zu –hören (Introspektionsfähigkeit)
– Den Wunsch zur Zusammenarbeit (Kooperation)
– Einen Willen zur Veränderung (Motivation)
– Eine Fähigkeit (wenn auch anfangs nur im begrenzten Maße notwendig), Gefühle zuzulassen, zu empfinden und auszudrücken (Schwingungsfähigkeit)
– Ausreichend Intelligenz bzw. Verständnis
Der/*die Therapeut/*in wird mit dem/*der Patient/*in anfangs über die Diagnose sprechen und ihn/sie* über den Ablauf der Therapie informieren. Die Informationen allein genügen aber nicht, um die Probleme kleiner werden zu lassen, Symptome wie Schlaf- oder Essstörungen zum Verschwinden zu bringen oder eine Störung zu bessern.
Tiefenpsychologische Psychotherapie strebt eine Aufdeckung unbewusster psychischer Konflikte an. Der/*die Psychotherapeut/*in bemüht sich, mit Ihnen zusammen die Gründe und Hintergründe in Erfahrung zu bringen, die dafür verantwortlich sind, dass Sie ein Problem nicht lösen können. Diese Hintergründe sind zum Teil halb- oder unbewusst.
Ich vergleiche gerne die Psychotherapie mit der Besteigung eines unbekannten Gebirges; der/*die Psychotherapeut/*in übernimmt die Bergführung, er/*sie kennt die Techniken des Kletterns, weiß um die Risiken und Gefahren, aber auch um die angenehmen Seiten einer Expedition. Er weiß, wo es eventuelle Abgründe geben kann, er gibt Sicherheit und Halt, lässt Dinge auspro-bieren, Neues erfahren, weiß, wann man mal kurz rasten kann, und wann es besser weitergeht. Allerdings ist jede neue Seelenlandschaft ihm/*r unbekannt, denn dort war er/*sie selbst auch noch nicht. Psychotherapie ist somit eine Expedition und ein wenig auch ein Abenteuer. Der/*die Patient/*in erkennt zusehends die eigene Seelenlandschaft, die unbewussten Anteile des Verhaltens, seiner/*ihrer Gewohnheiten, begreift die eigenen Muster, und lernt, sie zu verändern.
Bsp.: Ein frustrierter junger Mann kommt zu mir und berichtet, er leide unter Schlafstör-ungen, immer wiederkehrenden negativen Gedanken, Gereiztheit und diffusen Schmerzen im Körper, besonders Kopf und Schultern. Des weiteren habe er wenig Selbstvertrauen in sich, zweifle an sich und fühle sich generell unsicher. Er übe eine Tätigkeit aus, die ihn nicht befriedige, er bräuchte aber das Geld, da er eine Frau und zwei Kinder versorgen müsse. Unter all diesen Dingen leide er so sehr, dass er sich bei der Arbeit oft nicht kon- zentrieren könne, er habe Konflikte mit Vorgesetzten, Streits mit seiner Frau nähmen auch zu, und so wende er sich nun an mich.
Dies erfüllt alle Kriterien einer Symptomatik, die von den Krankenkassen als krankheits- wertig anerkannt wird, und ein Therapieantrag wurde gestellt. In den 50 Sitzungen wurden dann die familiären Hintergründe aufgedeckt, unter denen der Patient aufgewachsen ist, die Strenge und Härte, unter der er als Kind und Jugendlicher litt, und der Pat. konnte einen Bezug herstellen zwischen diesen Umständen und seiner jetzigen Symptomatik. Diese veränderte sich positiv unter der Behandlung und der Patient entwickelte mehr Lebensfreude, Genussfähigkeit und Zufriedenheit.
Regeln einer Psychotherapie:
Eine Therapiesitzung dauert in der Regel 50 Minuten. Bei einer tiefenpsychologisch fun- dieren Psychotherapie findet diese Sitzung in der Regel einmal wöchentlich statt, idealer- weise an einem festen Termin in der Woche.
Bei einer Krankenkassenbehandlung über gesetzliche Krankenversicherungen (GKV) soll und darf der/*die Patient/*in keine Zuzahlung zu den Therapiesitzungen machen, die Behandlung ist für ihn kostenfrei.
Ausnahme hiervon sind Bescheinigungen, die der Behandler für ihn ausstellt (z.B. für Be- hörden) oder Ausfallhonorare, die u.U. fällig werden, wenn der/*die Patient/*in kürzer als 24 Stunden vor dem vereinbarten Termin absagt. Diese Ausfallhonorarregelungen werden jedoch bei Beginn der Behandlung detailliert besprochen.
Bei einer Krankenkassenbehandlung über private Krankenversicherungen (PKV) hängt es von der Art des Vertrags mit Ihrer jeweiligen Krankenkasse ab, welche finanziellen und formalen Regelungen hier greifen. Hier kann es sein, dass Sie pro Sitzung einen geringen Betrag dazu bezahlen müssen; auch ist es nicht selten, dass private Krankenversicherungen die Behandlung kontingentieren (bspw. pro Jahr nur 25 Sitzungen), oder gar nicht erst übernehmen, oder nur bei ärztlichen Psychotherapeuten, oder, oder… Deshalb erkundigen Sie sich bitte unbedingt bei Ihrer Krankenkasse nach den Regeln, möglichst schon vor einem Erstgespräch.